Der Homo Oeconomicus und die Unmöglichkeit sozialräumlicher Orientierung
Das Konzept des Homo Oeconomicus, des wirtschaftlich denkenden Menschen, hat die Wirtschaftswissenschaften und zunehmend auch andere Gesellschaftsbereiche geprägt. Diese Vorstellung vom Menschen als rein rational handelndes Wesen, das stets seine eigenen Nutzen maximiert, steht jedoch in einem fundamentalen Widerspruch zur Idee einer sozialräumlichen Orientierung.
Der Homo Oeconomicus ist ein abstraktes Modell, das den Menschen auf seine wirtschaftlichen Interessen reduziert.
Er wählt stets diejenige Handlungsalternative, die ihm den größten individuellen Nutzen bringt, ohne Rücksicht auf soziale, ökologische oder langfristige Konsequenzen. Diese eindimensionale Sichtweise des Menschen vernachlässigt die komplexen sozialen Beziehungen, kulturellen Werte und emotionalen Bedürfnisse, die unser Handeln maßgeblich beeinflussen.
Rücksichtslosigkeit
In einer Gesellschaft, die stark vom Homo-Oeconomicus-Modell geprägt ist, wird der Einzelne dazu erzogen, seine eigenen Interessen rücksichtslos zu verfolgen. Kooperation und Solidarität werden als unwirtschaftlich betrachtet und weichen einem Wettbewerb um knappe Ressourcen. Die Folge ist eine Individualisierung der Gesellschaft, in der soziale Bindungen und Gemeinschaftsgefühl an Bedeutung verlieren.
Die sozialräumliche Orientierung hingegen setzt auf eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen und seiner Umwelt. Sie berücksichtigt die sozialen, kulturellen und ökologischen Zusammenhänge, in denen Menschen leben und handeln. Eine sozialräumliche Perspektive betont die Bedeutung von Gemeinschaften, sozialen Netzwerken und der Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen.
Die Annahme, dass alle Menschen sich ausschließlich nach ökonomischen Kriterien richten, macht eine sozialräumliche Orientierung nahezu unmöglich.
Wenn jeder nur radikal an seinen eigenen Vorteil denkt, ist es schwierig, gemeinsame Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden. Die Bereitschaft, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, geht verloren, wenn der Fokus ausschließlich auf individuelle Nutzenmaximierung liegt.
Stadt und Region
Die Vorstellung vom Homo Oeconomicus hat auch Auswirkungen auf die Gestaltung von Städten und Regionen. Wenn Städte ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien geplant werden, führt dies oft zu einer Entfremdung der Menschen von ihrem Lebensraum. Monotone Wohnsiedlungen, eine fehlende Infrastruktur für Begegnungen und ein Mangel an Grünflächen sind die Folge.
Eine sozialräumliche Orientierung hingegen würde eine Stadtentwicklung anstreben, die auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist. Dies würde eine Mischung verschiedener Nutzungen, kurze Wege, eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und ausreichend Grünflächen beinhalten.
Zusammenfassend:
Das Konzept des Homo Oeconomicus hat zweifellos seine Berechtigung in bestimmten Bereichen der Wirtschaftswissenschaften. Es ist jedoch ein zu reduktionistisches Modell, um das komplexe Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft zu erfassen.
Eine ausschließliche Orientierung an ökonomischen Kriterien führt zu einer Verarmung unserer Gesellschaft und macht eine sozialräumliche Orientierung unmöglich.
Um eine zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten, müssen wir über den Homo Oeconomicus hinausdenken und ein umfassenderes Verständnis vom Menschen entwickeln. Wir müssen die Bedeutung von sozialen Beziehungen, kulturellen Werten und ökologischen Zusammenhängen anerkennen und in unsere politischen Entscheidungen einbeziehen. Nur so können wir eine Gesellschaft schaffen, in der sich alle Menschen wohlfühlen und entfalten können.
2024-09-22