Form Wird Bemaengelt Und Inhalt Ignoriert
In einer Welt, die zunehmend von Ästhetik und Perfektion getrieben wird, gerät der Inhalt allzu oft in den Hintergrund. Die Form, das äußere Erscheinungsbild eines Produktes, einer Idee oder einer Person, scheint eine beinahe obsessive Bedeutung erlangt zu haben. In vielen Bereichen unseres Lebens wird die Form bemängelt, während der eigentliche Inhalt kaum Beachtung findet oder gar ignoriert wird. Diese Verschiebung der Aufmerksamkeit verhindert eine tiefgründige Auseinandersetzung mit komplexen Themen.
Die Präferenz für die Form lässt sich in vielen Bereichen unseres Lebens beobachten. In der Politik wird oft weniger über die Substanz der politischen Programme debattiert als vielmehr über die rhetorischen Fähigkeiten der Politiker und das äußere Erscheinungsbild ihrer Kampagnen oder gar der Person selbst. In der Kunstwelt wird die formale Gestaltung eines Werkes häufig über sein inhaltliches Gehalt gestellt. Und auch in der Wissenschaft wird die Eleganz einer Theorie oft höher bewertet als ihre empirische Bewährung oder inhaltliche Relevanz.
Über die Vorherrschaft des Äußeren
Diese Tendenz, die Form über den Inhalt zu stellen, hat mehrere Ursachen. Zum einen ist die moderne Gesellschaft von Bildern geprägt. Visuelle Reize erreichen uns ständig über soziale Medien, Werbung und Fernsehen. Dadurch wird unser Blick geschult, das Äußere schnell zu erfassen und zu bewerten, bestimmte Muster im Äußeren zu erkennen. Zum anderen ist die Form oft leichter zu beurteilen als der Inhalt. Während die Beurteilung von Inhalten ein tiefergehendes Verständnis erfordert, und ein Beschäftigen mit Inhaltlichen Themen im Allgemeinen ~ kann die Bewertung der Form oft auf einfachen äußeren Kriterien wie Symmetrie, Harmonie oder Originalität basieren.
Die einseitige Konzentration auf die Form hat verschiedene negative Folgen. Wenn wir uns ausschließlich mit der Oberfläche von Dingen, Personen oder Aspekten beschäftigen, verpassen wir die Chance, die tieferliegenden Zusammenhänge zu verstehen. Eine ausschließliche Fokussierung auf die Form kann zu einer Verflachung der Debatten , Diskursen und Gesprächen im Allgemeinen führen und dazu beitragen, dass komplexe Probleme zu sehr vereinfacht und auf eine Form reduziert werden. Zudem kann die übermäßige Betonung der Form zu einer gewissen Oberflächlichkeit führen und dazu beitragen, dass wir uns von den wirklich wichtigen Dingen abwenden. Wir nehmen die Welt dadurch vorwiegend als Formen behaftet wahr, und erkennen keine Inhalte mehr; oder diese werden irrelevant, weil sie nicht als Inhalt erkannt werden, sondern vielmehr als (unwichtige) Form.
Um dieser Tendenz der Fokussierung auf Formen, statt auf Inhalte einen zunehmend wichtigen andere Orientierung zu geben, ist es gesellschaftlich erforderlich, (wieder) stärker auf den Inhalt zu achten.
Das bedeutet nicht, dass die Form unwichtig wäre. Im Gegenteil, eine ansprechende Form kann dazu beitragen, den Inhalt besser zu vermitteln. Dennoch sollte die Form nicht zum Selbstzweck werden, sondern immer im Dienst des Inhalts stehen. Eine Form entsteht durch den Inhalt und durch den Wert, dem wir einem Inhalt beimessen, und nicht umgekehrt.
Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit komplexen Themen erfordert, dass wir uns die Zeit nehmen, über den Tellerrand hinaus zu schauen und die Dinge nicht nur an der Oberfläche zu betrachten. Die Inhalte, die sich im Teller befinden, sind das, was uns nährt und für uns wichtig ist. Der Teller hat (um in dem Bild zu bleiben) die Funktion den Inhalt zusammenzuhalten, indem wir über den Tellerrand blicken, erkennen wir noch andere Teller, in denen es Inhalte gibt, und können diese Inhaltlich vergleichen. Eine Fokussierung auf die Teller, ohne den Inhalt wahrzunehmen, würde das Wesen der Suppen und der Teller unangemessen verzerren.
Formen entstehen durch Inhalte, und wir wählen die Formen anhand der Relevanz dieser Inhalte aus. Wir sollten Inhalte nicht länger ignorieren oder gering wertschätzen, denn es sind nicht die Formen, sondern vielmehr die Inhalte, die den Sinn in unserem Leben, unserer Gesellschaft und der damit zusammenhängenden Politik tragen und erzeugen.