Verzerren Von Grund Und Ursache

Verzerren von Gründen und Ursachen entsteht oft ungewollt aus einem Missverstehen oder anderen Gründen. Mit diesem Vorgehen tun wir uns und anderen nichts Gutes, weil wir damit in die Irre laufen.

Das hier ist ein Folgeartikel zu dem vorigen Eintrag über Gründe und Ursachen, er baut auf dem dort enthaltenen Text auf, wurde allerdings als eigenständiger Eintrag entwickelt.

Das verzerren von Gründen und Ursachen

Das Verzerren von Gründen und Ursachen ist ein Phänomen, das häufig in unserem Denken und unserer Kommunikation auftritt. Es bedeutet, dass wir bewusst oder unbewusst Informationen so auswählen, interpretieren oder darstellen, dass sie unsere eigenen Überzeugungen, Wünsche oder Ziele unterstützen.

Welche Arten von Verzerrungen gibt es?

  • Selektive Wahrnehmung: Wir nehmen nur bestimmte Aspekte einer Situation wahr und ignorieren andere.
  • Falsche Kausalität: Wir sehen einen Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen, obwohl keiner besteht (z.B. “Weil ich heute Morgen einen schwarzen Kater gesehen habe, habe ich Pech gehabt”).
  • Generalisierung: Wir ziehen aus einem Einzelfall einen allgemeinen Schluss (z.B. “Alle Politiker sind korrupt”).
  • Personalisierung: Wir nehmen Ereignisse persönlich und machen uns selbst für alles verantwortlich.

Manchmal ist es auch eine Mischung aus mehreren Arten der Verzerrung, die wir (uns unbewusst) benutzen, um Gründe zu finden für unsere bereits vorhandenen Überzeugungen, oder auch für Wünsche und Ziele.

Um das zunächst einmal klar gesagt zu haben:

Für uns Menschen ist es nicht Möglich ALLES, was wir in der Welt wahrnehmen exakt als Ursache und Begründung (im Kontext Naturwissenschaftlicher Genauigkeit) einzuordnen und zu begründen. Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum das nicht möglich ist, die den Rahmen hier sprengen würden, darin einzutauchen.
Deshalb ist es auch plausibel und für uns wichtig manchmal einfach nur irgendwelche Gründe zu finden und zu haben, die einen Wunsch und ein Ziel begründen und (zumindest für uns) Rechtfertigen. Daran ist nichts schlecht, unmoralisch oder unethisch. Manchmal ist es besser eine verzerrte Begründung oder Beschreibung von Ursachen für sich zu haben, als gar keine. Für manche Menschen reicht das nicht aus, und für einen wissenschaftlichen Anspruch ebenfalls nicht; allerdings haben diese Menschen nicht das Recht, die Begründung von anderen deshalb entgleisen zu lassen oder zu dekonstruieren.

Es ist mir wichtig, dies zu erwähnen, weil sonst der Irrige Eindruck entstehen könnte, dass jeder immer ALLES mit wissenschaftlicher Exaktheit begründen muss und eine Ursache anzugeben hat, um überhaupt etwas tun zu können oder dürfen. Es wäre absurd so etwas anzunehmen, denn Wissenschaft und deren Methoden gehören nicht zum Lebensalltag für die meisten Menschen und sind auf dieser Ebene auch nicht relevant für denselben. Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch Menschen, für die das Finden von exakten Begründungen (aus welchen Gründen auch immer) wichtig ist, und das ist auch in Ordnung, dass es so ist. Menschen müssen nicht alle denselben Grund und dieselbe Ursache für etwas finden. Oft reicht ein einfaches Verstehen aus, um Leben zu bewältigen. Jeder findet dabei seine eigene Form des Umgangs damit. Und das ist gut so.

Wenn wir jetzt allerdings ein erweitertes Verstehen dafür entwickeln wollen, was das Verzerren von Gründen und Ursachen angeht, dann fragen wir uns nach dem Warum wir so etwas gegebenenfalls machen.

Warum verzerren wir Gründe und Ursachen?

  • Bestätigungstendenz: Wir neigen dazu, Informationen zu suchen und zu bevorzugen, die unsere bereits bestehenden Überzeugungen bestätigen.
  • Selbstwertgefühl: Wir möchten ein positives Bild von uns selbst aufrechterhalten und können daher Informationen so interpretieren, dass sie unser Selbstwertgefühl schützen.
  • Soziale Zugehörigkeit: Wir möchten zu einer bestimmten Gruppe gehören und passen daher unsere Überzeugungen an die Normen und Werte dieser Gruppe an.
  • Emotionen: Starke Emotionen wie Angst oder Wut können unsere Wahrnehmung verzerren und uns dazu bringen, voreilige Schlüsse zu ziehen.

Das ist auf die ein oder andere Weise bei jedem Menschen so, und wenn man sich damit befasst und in sich hinein geht, dann erkennt man auch, dass es durchaus plausible Gründe gibt dafür »die Ursachen und Gründe« zu verzerren oder grundlegend schon als verzerrt wahrzunehmen. Wenn das Selbstwertgefühl auf dem Spiel steht und zu entgleisen droht. Oder starke Emotionen, wie Wut unsere Wahrnehmung verzerrt, wir dabei gegebenenfalls die soziale Zugehörigkeit drohen zu verlieren, oder diese unzugänglich werden könnte; dann sind uns »verzerrte Gründe« lieber ~ als der Verlust dieser existenziell notwendigen Aspekte wie beispielsweise das Selbstwertgefühl, oder die soziale Zugehörigkeit.

Wenn eine Verzerrung allerdings zu groß wird, und mit tatsächlicher Realität nichts oder nur noch wenig zu tun hat, und das über einen langen Zeitraum, dann muss dies ebenfalls nicht gut sein. Das ist ein Dilemma, was sich dabei ergibt. Unsere sozialen und auch strukturellen Systeme sind außerdem nicht tolerant genug für solche Verzerrungen; was zum einen gut, und zum anderen auch schlecht sein kann. Oft wäre ein wenig mehr realistische Toleranz und Respekt gegenüber individueller Lebenswirklichkeiten seitens beispielsweise der Behörden (vor allem in Deutschland) durchaus eine sehr angenehme und wünschenswerte Angelegenheit (vorsichtig ausgedrückt).

Beispiele für Verzerrungen im Alltag

Um das noch etwas mehr zu verdeutlichen, wie das gemeint ist mit den Verzerrungen, hier einige Beispiele:

  • Politik: Anhänger einer bestimmten Partei neigen dazu, Nachrichten so zu interpretieren, dass sie ihre Partei in einem positiven Licht darstellen.
  • Werbung: Werbung versucht, unsere Bedürfnisse und Wünsche so anzusprechen, dass wir ein Produkt kaufen.
  • Soziale Medien: In sozialen Medien können wir Informationen filtern und nur solche Inhalte sehen, die unseren Überzeugungen entsprechen.

In unserem Alltag sind wir vielen Verzerrungen ausgesetzt und erleben solche. Auf absurde Weise können durch diese Verzerrungen komplexe Missverständnisse entstehen (siehe auch den Text über Missverständnisse im Blog). Es gibt kleine und große Verzerrungen, und das absurde daran: Mit diesen Verzerrungen wird ein großes Wirtschaftssystem aufrechterhalten, das ohne Verzerrung gar nicht existieren könnte. Die Zusammenhänge von Wirtschaft, radikaler Markt und Kapitalismus sind vielschichtig und vielfältig. Wären allerdings zu viele, um darin jetzt einzutauchen.

Diese Verzerrungen und Missverständnisse können auch zu einem Verschwörungsglauben oder auch zu extremistischen Deutungen führen, oder auch einer grundlegend fundamental verzerrten Wahrnehmung über Wirklichkeit im Allgemeinen. Die Folgen solcher Verzerrungen können sehr vielschichtig sein, vor allem wenn sie lange anhaltend sind. Auch ein Auslöser für geistige und psychische Erkrankungen ist hier denkbar.

Fehlattribution als Grund für ein Verzerren

Fehlaattribution ist ein psychologischer Begriff, der beschreibt, wie wir uns selbst und andere Menschen wahrnehmen und interpretieren. Dabei machen wir oft Fehler bei der Zuschreibung von Ursachen für Verhalten.

Ein Fundamentaler Attributionsfehler ist eine spezielle Form der Fehlaattribution. Er beschreibt die Tendenz, das Verhalten anderer Menschen eher auf deren innere Eigenschaften (z.B. Persönlichkeit, Charakter) zurückzuführen, als auf äußere Umstände oder die Situation.

Fehlaattributionen sind ein normaler Teil des menschlichen Denkens. Indem wir uns ihrer bewusst sind, können wir sie besser erkennen und vermeiden. Dies kann zu einem besseren Verständnis von uns selbst und anderen führen und zu einer friedlicheren Koexistenz beitragen.

Fehlattribution ist ein spezieller Themenbereich für sich, und wird in Wikipedia sehr ausführlich und gut behandelt. In Zukunft wird dazu vielleicht auch hier im Blog noch etwas mehr entstehen.

Hier die ersten Zeilen des Eintrags zu Attributionsfehlern in Wikipedia.

Attributionsfehler (auch Korrespondenzverzerrung, nach dem engl. correspondence bias) ist ein Begriff der Sozialpsychologie. Er bezeichnet die Neigung, den Einfluss dispositionaler Faktoren, wie Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen und Meinungen, auf das Verhalten anderer systematisch zu überschätzen und äußere Faktoren (situative Einflüsse) zu unterschätzen. Er ist so dominant, dass Lee Ross ihn 1977 sogar als „fundamentalen Attributionsfehler“ bezeichnete. Wikipedia: Attributionsfehler

Hier sind die damit in Verbindung stehenden Themenbereiche:

Die Liste kognitiver Verzerrungen enthält alle bekannten kognitive Verzerrungen und ist eine wichtige Quelle und inspirierende Erinnerung an Verzerrungen, die bei uns allen immer wieder entstehen; um sich das nochmal bewusst zu machen.

Welche Folgen haben Fehlattributionen

  • Fehlende Empathie: Wenn wir das Verhalten anderer Menschen falsch interpretieren, fällt es uns schwerer, Empathie zu zeigen.
  • Vorurteile: Fehlaattributionen können zu Vorurteilen führen, wenn wir das Verhalten einer ganzen Gruppe von Menschen auf deren angeborene Eigenschaften zurückführen.
  • Konflikte: Fehlende Empathie und Vorurteile können zu Konflikten in Beziehungen und Gruppen führen.

Wie können wir Fehlattributionen und Verzerrungen vermeiden?

Fehlattribution und Verzerrung gehören zu unserer menschlichen Erfahrung und sind ein normaler Teil unseres menschlichen Denkens. Insofern ist das Verzerren von Gründen und Ursachen ein alltägliches Phänomen, das unser Denken beeinflusst. Indem wir uns der verschiedenen Arten von Verzerrungen bewusst sind und Techniken zur Vermeidung anwenden, können wir unsere Entscheidungen rationaler treffen und uns ein realistischeres Bild von der Welt machen.

Bewusstmachung: Wir können uns bewusst machen, dass Verzerrungen auftreten können und versuchen, sie zu erkennen.

Alternative Perspektiven: Wir können versuchen, eine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Faktencheck: Wir können Informationen überprüfen und uns nicht nur auf eine Quelle verlassen.

Kritisches Denken: Wir können Fragen stellen und Annahmen hinterfragen.

Emotionale Distanz: Wir können versuchen, eine emotionale Distanz zu einem Thema zu wahren.

Situation berücksichtigen: Wir können uns bewusst machen, dass das Verhalten von Menschen oft von der Situation beeinflusst wird.

Alternative Erklärungen suchen: Wir können versuchen, verschiedene Erklärungen für das Verhalten anderer Menschen zu finden.

Empathie üben: Wir können uns in die Lage anderer Menschen versetzen und versuchen, ihre Perspektive einzunehmen.

Fazit

Verzerrungen und falsche Attribuierung ist etwas, was zu unserem Denken gehört und uns als Menschen begleitet. Wir können auftretende Verzerrungen jedoch auch reduzieren, indem wir achtsam damit umgehen, wie wir Gründe, Ursachen und unsere Deutung derselben einsetzen und wie wir im Allgemeinen damit vorgehen.

Verzerrungen und Fehlattributionen sind ein komplexer Themenbereich, mit dem es sich lohnt, sich immer mal wieder zu befassen, damit uns grundlegende Fehler und Verzerrungen, die ohnehin auftreten, nicht zu sehr beeinflussen und auch möglichst wenig belasten und wir nicht so viele Fehler bei Deutung und Einordnung machen, wie sie entstehen würden wenn wir die Möglichkeit der Fehlattribution und der Verzerrung nicht im Blick haben, oder eine solche Möglichkeit dass wir uns auch irren könnten absurderweise vielleicht sogar ganz aus ausschliessen.

Written on August 8, 2024